Seit dem 1. Oktober 2025 befindet sich unser Freizeitclub nicht mehr in der Treitschkestraße, sondern in der Betty-Katz-Straße. Diese Umbenennung ist mehr als eine formale Adressänderung. Sie ist ein deutliches Zeichen gegen das Vergessen und für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft[1].
Der bisherige Straßenname erinnerte an Heinrich von Treitschke, einen Historiker des 19. Jahrhunderts, der durch seine antisemitischen Äußerungen bekannt wurde. Sein Satz „Die Juden sind unser Unglück“ wurde später zur zentralen Parole antisemitischer Propaganda im Nationalsozialismus[2]. Treitschkes Denken prägte den politischen und kulturellen Antisemitismus in Deutschland wesentlich[3].
Die neue Namensgeberin, Betty Katz, steht für Menschlichkeit, Vielfalt und den Einsatz für gesellschaftlich benachteiligte Menschen. Sie leitete das jüdische Blindenheim in Berlin-Steglitz und war dort als Sozialarbeiterin tätig. Im Zuge der nationalsozialistischen Verfolgung wurde sie am 14. September 1942 zusammen mit Bewohner*innen des Heims nach Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 6. Juni 1944[4]. Viele ihrer Kolleg*innen und Klient*innen wurden ebenfalls deportiert und ermordet. Mit der Benennung der Straße nach Betty Katz wird an eine Frau erinnert, die sich trotz wachsender Ausgrenzung bis zuletzt für Andere einsetzte und die für Werte steht, denen auch wir uns als Organisation verpflichtet fühlen[5].
Die Umbenennung der Straße verstehen wir auch im Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. Rechte und ausgrenzende Denkweisen erhalten wieder mehr Aufmerksamkeit und Einfluss. Als gemeinnützige Organisation, die sich für Inklusion, Teilhabe und eine offene Gesellschaft einsetzt, lehnen wir diese Tendenzen entschieden ab. Dass der Standort unseres Freizeitclubs – ein Ort, der für unsere Klient*innen einen sicheren Treffpunkt darstellt – nun den Namen einer Frau trägt, die für Solidarität und Menschlichkeit stand, ist für uns ein klares und wichtiges Zeichen.
In diesem Zusammenhang haben wir im Rahmen unserer Mitarbeiter*innenversammlung am 6. Oktober 2025 den Bibliothekar und Researcher Herrn Roberto Pantaleo von der Tiergarten4Association[6] als Gastredner eingeladen. In einem beeindruckenden Vortrag zur Geschichte der Sozialen Arbeit im Nationalsozialismus zeigte er auf, wie Menschen damals als „asozial“ stigmatisiert und systematisch ausgegrenzt wurden. Viele waren schwerwiegenden Konsequenzen ausgesetzt, darunter Zwangsarbeit, Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen und in zahlreichen Fällen auch die Ermordung im Rahmen der „Euthanasie“-Programme. Besonders aufschlussreich war die Analyse des Sprachgebrauchs und der gesellschaftlichen Narrative jener Zeit.
Im anschließenden Austausch wurde deutlich, dass sich Ausgrenzungsmechanismen auch heute noch beobachten lassen. Menschen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen oder anderen Formen von Unterstützungsbedarf sind mit Vorurteilen, strukturellen Barrieren und entmenschlichender Sprache konfrontiert. Diskriminierende Zuschreibungen, die bereits im Nationalsozialismus zu systematischer Gewalt führten[7], zeigen sich auch heute in entwürdigenden gesellschaftlichen Narrativen[8].
Der Vortrag hat uns erneut verdeutlicht, wie wichtig es ist, sensibel mit Sprache umzugehen und unsere Verantwortung als Fachkräfte in der Sozialen Arbeit ernst zu nehmen – insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Würde und Rechte der Menschen, mit denen wir arbeiten.
Ab sofort finden Sie unseren Freizeitclub in der Betty-Katz-Straße 16.